Erfahrungsberichte

Ralf P. 

Meine Motivation

 

Ich bin seit über 20 Jahren, genauer gesagt seit dem 01.10.1994, trockener Spieler und Alkoholiker. Doch was heißt das denn nun: »Trockener Spieler und trockener Alkoholiker«? Es heißt zunächst einmal, dass ich in all diesen Jahren keinen Alkohol mehr getrunken und kein Geld in einen Glücksspielautomaten geworfen habe. Ja, das ist doch toll, denkst du dir jetzt wahrscheinlich. Gratulation, wieder einer mehr, der es geschafft hat. »Oh, nein«, sage ich da nur. »Geschafft? Nein, geschafft habe ich es nicht.«

 

Ich habe eine Menge geschafft in diesen 20 Jahren, aber ich habe die Sucht nicht besiegt. Sie bleibt ein Teil meines Lebens. Ein Teil meiner Persönlichkeit. Ein Teil meines Ichs. Ein Teil meiner Geschichte. Die Sucht kann ich nämlich im klassischen Sinne nicht besiegen, nicht bezwingen, sondern ich habe die Sucht lediglich zum Stillstand gebracht, so dass ich heute in den meisten Bereichen ein ganz normales Leben, wie jeder andere auch, führen kann. Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass ich keinen Alkohol mehr trinken und kein Glücksspiel mehr betreiben kann.

 

Und jetzt bin ich auch schon beim 12-Schritte-Programm der Anonymen Selbsthilfegruppen angekommen. Die Anonymen Alkoholiker vertreten aus bitterer Erfahrung einheitlich die Meinung, genauso wie die Anonymen Spieler, was die Spielsucht betrifft, dass ich meine Alkoholsucht nicht besiegen, sondern nur zum Stillstand bringen kann. Das heißt, dass ich mir in meinem Leben nie mehr ein gesundes und normales Trinkverhalten aneignen kann, wenn ich einmal die Schwelle zum unkontrollierbaren Trinken hin überschritten habe. Da sagst du doch bestimmt wieder: »Ach was, nach über 20 Jahren. Wer es 20 Jahre geschafft hat, der hat doch gezeigt, dass er mit seiner Willenskraft alles wieder im Griff und unter Kontrolle hat.«

 

Was wäre mancher Alkoholiker wohl froh, wenn es nur so wäre. Aber mit dem Glauben an diese trügerischen Gedankengänge eines kontrollierten Trinkens sind schon Tausende von Alkoholikern, Spielern und Drogensüchtigen elendig zu Grunde gegangen und gestorben. Dies will ich hier jetzt aber nicht weiter vertiefen, weil ich darauf noch in den einzelnen Schritten zu sprechen kommen will.

 

Mein Leben war nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Aufgewachsen in einfachen und recht schwierigen Verhältnissen zeichnete sich in jungen Jahren schon recht früh eine Karriere als Suchtkranker bei mir ab. Erst der Alkohol, dann leichte Drogen, dann beides zusammen, und als Letztes kam dann das Glücksspiel noch hinzu.  Am Anfang noch schleichend, doch schon nach wenigen Jahren immer deutlicher, stellte sich mehr und  mehr der völlige Kontrollverlust beim Trinken und Spielen bei mir ein. Kontrollverlust bedeutet kurz gesagt, wenn ich aus mir selbst heraus einen Trieb oder Drang nicht mehr stoppen kann. Wenn ich es tun muss, obwohl ich weiß, dass es mich immer tiefer in den Strudel der Abhängigkeit führt und mich am Ende ganz zerstört und umbringt. Gnade ist dem zuteil geworden, der dieses Gefühl nicht kennen lernen musste.

 

Ich verlor immer mehr die Selbstkontrolle und irgendwann hatte mich die Sucht völlig übernommen. Mein Leben wurde nun nicht nur beim Trinken und Spielen, sondern in allen Bereichen meines Lebens durch die Sucht bestimmt und gesteuert.

 

So begegnete ich in völliger Trunkenheit im März 1993 nach einer abenteuerlichen Vorgeschichte in der Freiburger Innenstadt einem Heilsarmeesoldaten und hatte durch ihn meine erste richtige Begegnung mit einem Mann Gottes. Aber ich wollte nichts wissen von diesem Gott und diesem Jesus, von dem dieser Glaubensbruder sehr oft in seiner mit mir verbrachten Zeit geredet hat. Doch Hilfe habe ich trotzdem bekommen. So sind die Christen ja nun mal. Da haben sie, meiner abwehrenden Meinung nach, mit mir wieder einen an der Angel gehabt, der unbedingt gerettet werden musste. Ob er will, oder nicht. Ich wusste damals nicht, dass ich wirklich gerettet werden musste, weil mir nicht im Entferntesten die Tragweite meines gescheiterten Lebens wirklich bewusst war, und dass ich ohne Gottes Hilfe und sein Eingreifen wahrhaftig verloren gewesen wäre.

 

Die Heilsarmee hat mich wieder, wie so viele Tausende vor mir auch schon, auf die Füße gestellt. Ich bin ein halbes Jahr trocken geblieben und dann doch wieder abgestürzt. Ja, war doch der Alkohol wichtiger und tragfähiger als dieses Geschwafel und Pfaffengeschwätz über Jesus. So bin ich fadenscheinig und heuchlerisch jedoch dabei geblieben und ließ mich weiter retten, ohne wirklich gerettet werden zu wollen. Denn tief in mir selbst, in meinem innersten verletzten Kern war etwas, das brodelte unaufhörlich weiter vor sich hin und stand kurz vor der alles vernichtenden Explosion, und das wollte weitersaufen; weiterspielen; bis zum bitteren Ende. Auf den Punkt gebracht, wollte ich mich und mein kümmerliches Leben wohl zerstören.

 

Doch ich hatte die Rechnung ohne den HERRN gemacht, denn Gott hatte einen anderen Plan für mein Leben und er hat mich nicht mehr losgelassen. Er hat gewusst, dass ich am Ende war, wahrhaftig am Ende. Angekommen in tiefster dunkelster Nacht. Und genau dort hat er mich nach meinem letzten Rückfall am 01.10.1994 abgeholt, nachdem er mich an diesem Abend regelrecht kapituliert hat.

 

So kam ich 1995 wieder in die Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige, die ich von 1988 bis 1991 schon einmal besucht hatte, um sie dann im Vollrausch wieder zu verlassen, nachdem ich alle anderen Teilnehmer bis aufs Tiefste beleidigt und vor den Kopf gestoßen hatte. Mein Schuld- und Sündenregister wurde praller und praller. Doch man hat mich wieder aufgenommen, ohne Vorbehalt. Auch ohne, dass überzeugte Christen unter diesen Spielern waren. Kennst du die Geschichte vom verlorenen Sohn? Bestimmt. Wenn nicht, musst du sie unbedingt lesen. Eine wunderbare Geschichte. So habe ich mich damals ein wenig gefühlt, ohne dass ich diese Geschichte aus dem Evangelium überhaupt richtig kannte. Das Evangelium Jesu Christi ist genau für die geschrieben, die es so nötig brauchen, - für die Verlorenen. Für die, die erkennen, dass sie gestrandet sind in ihrem kaputten Leben. Gestrandet in dieser kaputten, von Gier, Reichtum und persönlichem Machtstreben gesteuerten Welt. Auch nicht für die Gerechten, nein, die gibt es nämlich nicht. Die gibt es nur in unseren selbstbetrügerischen Gedanken und Fantasien. Nein, für uns Sünder ist Gott in Jesus Christus in diese Welt gekommen und Fleisch geworden. Für die, die nach Gerechtigkeit, nach Liebe, nach Anerkennung, nach Rettung, nach Vergebung schreien. In ihren kaputten Seelen schreien. Für die, die wissen, dass es keine Gerechten gibt unter den Menschen. »Da ist kein Gerechter, auch nicht einer«(Römer 3.10). Also ist Er für uns alle gekommen. Ja, für uns alle. Wenn wir auch nichts davon wissen wollen. Doch Er lässt uns nicht in Ruhe, der Sohn Gottes. Der Gerechte. Der Gesalbte. Der Messias. Der Erlöser. Der Einzige, der ohne Sünde war in dieser Welt. Und den haben sie ans Kreuz geschlagen. Ja, Gott lässt uns nicht in Ruhe. Weil sein Wort von Anfang an in uns gepflanzt ist. Weil wir seine Kinder sind. Ob wir es wahrhaben wollen, oder nicht. Ob wir Gott suchen, oder vor Ihm davonlaufen, wie ich es doch mein ganzes Leben lang getan habe. Du vielleicht auch? Bist du vielleicht auch einer derjenigen, die vor Gott ständig davonlaufen, weil du wie ich weißt, dass wir eine ganze Menge Schuld in Laufe unseres Lebens auf uns geladen haben? Wenn ja, dann liest du genau den richtigen Text. Wenn du denkst, dass du doch eigentlich ganz in Ordnung bist, so wie du bist, dann kannst du aufhören weiterzulesen. Diesen Satz solltest du bitte nicht falsch verstehen. Ich meine die, die in ihrer ganzen Selbstgerechtigkeit meinen, keine Vergebung nötig zu haben. Vor Gott sind wir jedoch von jeher in all unserer Schwachheit und Fehlerhaftigkeit angenommen. Was uns fehlt, ist die Tür, durch die wir zu Ihm hindurchgehen können. Jesus Christus ist die Tür.

 

Wir können machen was wir wollen, wir alle sind Kinder des lebendigen Gottes. Der Reiche, wie der Arme. Der Intelligente, wie der Dumme. Der Schwarze, wie der Weiße. Der Abstinenzler, wie der Säufer. Der Gesunde, wie der Aussätzige. Der Besitzer einer Villa, wie der Obdachlose unter der Brücke. Die Anstandsdame, wie die Dirne. Das habe ich lange nicht verstanden, lange nicht gewusst, was das wirklich bedeutet. Das bedeutet, dass Gott uns alle unendlich liebt. So sehr, dass Er selbst in Jesus Christus Fleisch geworden ist und sich von uns ans Kreuz schlagen ließ, auf dass wir durch Ihn und seinem für die Welt vergossenen Blut, durch sein Tragen unserer Schuld, gerettet werden können. Du merkst es vielleicht, ich bin schon mitten in dem Thema, welches mein Leben komplett verändert und doch noch auf einen guten Weg geführt hat. Die höhere Macht, Gott, so wie ich Ihn verstehe, und Jesus Christus, wie ich Ihn ganz persönlich erfahren habe, sind meine Motivation zum Betreiben dieser Webseite. Ich möchte erzählen und weitergeben, wie ich Ihn und meinen Glauben mit den 12 Schritten zur Genesung auf meinem Weg in den Gruppen von AA und GA gefunden habe. Erzählen, wie ich befreit wurde von dem unwiderstehlichen, krankhaften Zwang, Trinken und Spielen zu müssen. Ich hoffe, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass die Botschaft der Hoffnung und der Gnade weitergegeben wird.  

 

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